Thomas Barnado Teil 20


„Super, Australien! Macht ihr was über Auswanderer?“ Benni und Pascals Klassenkamerad Tim schlendert von einem Gruppentisch zum andern und hat dabei eins der Karteikärtchen aufgehoben. „Das Land interessiert mich voll, da muss ich später unbedingt mal hin. Am liebsten würde ich umgehend einen Flug buchen, aber dazu fehlt mir die Knete.“

Die Barnardo-Mitarbeiter nicken. „Ich käme sofort mit“, sagt Benni. „Es geht bei unserem Thema übrigens nicht direkt um Auswanderung, na ja, aber so etwas Ähnliches. Wir machen gerade was über Kinder, die aus der Großstadt London nach Australien gingen, es waren drei Geschwister: Lieschen, Tim und Jack Regan.“

„Mit ihren Eltern?“

„Nee, die lebten nicht mehr. Tim war der älteste der drei und versorgte die jüngeren Geschwister, indem er fleißig als Laufbursche arbeitete. Eines Tages hatte er einen Unfall und kam ins Krankenhaus, das er aber auf eigene Faust bald wieder verließ, obwohl er überhaupt noch nicht gesund war. Er machte sich Sorgen um seine kleinen Geschwister. Mit seinem schlecht verheilten Humpelfuß konnte er allerdings seine alte Arbeit nicht mehr ausführen. Darum lernte er, wie man Rattenfallen aus Kupferdraht zurechtbiegt. Eines Tages entdeckte Thomas Barnardo den Jungen, der von Old Peter angelernt wurde. Weil Tim so geschickt war, verkauften die Fallen sich ganz gut. Das kleine Einkommen reichte aber nicht aus und so half das 13-jährige Lieschen mit, indem sie bei reichen Familien putzte und wusch, eine furchtbar schwere Arbeit für so ein halbverhungertes schwächliches Geschöpf, aber was blieb ihnen anders übrig?

Wenn’s irgend ging, schleppten sich die Kinder am Sonntagabend den weiten Weg zur Zerlumptenschule. Mit Essen, warmer Kleidung und etwas Geld konnte ihnen auch geholfen werden.

 

Etwa zur gleichen Zeit erhielt Barnardos Heim Besuch aus Australien. Ein kinderloses Ehepaar hatte von der Arbeit gehört und wollte Jungen weitervermitteln, damit sie in ihrem Land Aufnahme fanden.

Als sie von den drei Waisenkindern hörten und sie in der Schule erlebten, erwachte in den Australiern eine großer Wunsch: Diese drei Kinder als ihre eigenen aufzunehmen. Im August 1872 begaben sich fünf glückliche Menschen auf die weite Reise in den fernen Erdteil, eine neue Familie hatte sich gefunden.“

„Ihr habt das aber gut rübergebracht“, lobt Tim die Erzähler. „Habt ihr noch mehr solche Geschichten, oder ist das eure Vorführstory, die ihr jetzt zu früh preisgegeben habt?“

„Keine Sorge, von der Art haben wir jede Menge, uns geht der Vorrat nicht aus.“

So, allmählich wird es Zeit, die verschiedenen Schauplätze auf dem Globus zu suchen. Immerhin waren da viele Barnardo Jungen, die zum Beispiel nach Kanada auswanderten, einige nach Australien oder Afrika.

„Bestimmt ist es auch praktisch, wenn wir einen Stadtplan von London ausleihen, um alle Orte zu finden“, schlägt Pascal vor. „Wenn das mal reicht, vielleicht besser gleich eine Englandkarte“, meint sein Kumpel vorsorglich.

„Ich sag’s ja, am Ende schreiben wir selber ne Doktorarbeit. Wann sollen wir eigentlich die Mappen abgeben? Eine trübe Ahnung sagt mir, dass gewisse Lehrer solche Dokumente als Ferienlektüre brauchen“, bemerkt Benni mit schiefem Grinsen.
 „Mhh, ich würde dafür meine Ferien nicht opfern. Ist das etwa ein Vergnügen, sich Blatt für Blatt durch so eine Arbeit zu quälen?“

„Unser Text ist doch keine Quälerei!“, widerspricht Benni empört. „Und denk dran, die Blätter nicht in Folienhüllen zu stecken, sonst gibt es Punkteabzug.“

„Warum eigentlich, ist das so ein Tick?“

„Komm, mach mal: Blatt raus, lesen, was draufkritzeln, Blatt wieder rein und abheften und nächstes Blatt ... und das bei 10 oder 20 Seiten mal 29 Schüler, echt ätzend!“

„Von mir aus, dann eben ohne Hüllen. Obwohl das besser aussähe, aber egal.“

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Danke an Erika Demant und den CSV-Verlag für die Genehmigung zur Veröffentlichung. 

Danke an Gunther Werner für die Bearbeitung.

Die Geschichte gibt es hier auch als Buch zu kaufen

Bild: (c) Can Stock Photo / colematt